

Mein Zimmer ist auf der letzten Etage. Ich liege im Bett und höre den Wind sausen. Durch die offene Lage des Hauses fühle ich mich frei und einsam zugleich.
Es ist die Behaglichkeit des warmen Bettes, die innere Stille, der Zauber der Kindheit, der sich durch die überreifen Kaki-Früchte manifestiert, das Gefühl des Angekommen-Seins gemischt mit tiefer Melancholie, die durch den vielen Schnee nur dumpf spürbar ist.
Der Raum ist dämmerig. Einen Kerzenhalter in der Hand nähere ich mich dem Bücherregal. Das gelbe Licht beleuchtet, die in stiller Ordnung schlafenden Dostojewski, Tolstoi, Tschechow, Dumas, Twain…
In dieser ungewollten vintage Umgebung, verspricht ein aus-dem-Nichts-aufgetauchter-perfekt- pinker Gel-Stift eine sorglose Zukunft, bis… eine unvorsichtige Geste meinerseits – ich hatte den Stift auf dem Bücherregal abgelegt – schicksalshaft sich erweist.
Die Bücher haben wohl keinen Leichtsinn neben sich geduldet: die Enttäuschung über den Verlust war bleibend.
Die Bücher haben wohl keinen Leichtsinn neben sich geduldet: die Enttäuschung über den Verlust war bleibend.
Eine junge Frau steigt ein und setzt sich mir gegenüber. Blond, Perlenohrringe, sauberes weißes Diensthemd mit schwarz-goldenen Schulterklappen und einem Stern.
Reizbar wie ich bin, ertappe ich mich dabei von ihren regelmäßigen Mundgeräuschen – Geräusche, die man nur nach einer Jahresdurststrecke machen kann – vollkommen aus der Fassung gebracht zu werden.
Nach einer Weile passiert etwas ganz Unerwartetes.
Die Frau nimmt in einem bunten Geschirrtuch behutsam eingepacktes Buch heraus. Es ist die italienische Übersetzung von „Der kleine Prinz“.
Nach einer Weile passiert etwas ganz Unerwartetes.
Die Frau nimmt in einem bunten Geschirrtuch behutsam eingepacktes Buch heraus. Es ist die italienische Übersetzung von „Der kleine Prinz“.
Draußen ist stockdunkel.
Ich lehne den Kopf gegen das Fenster. Hinter dem Schiff schäumt sich der Indische Ozean wie das Eiweiß in der Mixer-schale. Die glitzernden Zuckerkörnchen knuspern unter den Zähnen.
Ich drücke die Nase an das Fenster. Es zeigt das Hotelzimmer, das hinter mir liegt.
Es sagt nichts.
Ich drücke die Nase an das Fenster. Es zeigt das Hotelzimmer, das hinter mir liegt.
Es sagt nichts.
Klein und knochig sind diese Füße. Blaue Äderchen durchlaufen die gesamte Oberfläche und lassen sie zerbrechlich wirken. Deren Form und die übereinander gelegte Haltung gibt diesem Anblick etwas Demütiges.
Irgendwann will ich sehen, wem diese Füße gehören.
Es ist ein winzig schmales Frauchen, mit kurzen, dunkelgefärbten Haaren und dutzenden feinen Gesichtsfältchen.
Ich kann mich auf nichts anderes konzentrieren.
Endlich weiß ich, was mich an diesen schmalen Gliedern bewegt: es sind die Füße auf dem Kreuz, die mir durch den Kopf gehen.
Es ist ein winzig schmales Frauchen, mit kurzen, dunkelgefärbten Haaren und dutzenden feinen Gesichtsfältchen.
Ich kann mich auf nichts anderes konzentrieren.
Endlich weiß ich, was mich an diesen schmalen Gliedern bewegt: es sind die Füße auf dem Kreuz, die mir durch den Kopf gehen.
Wolkenlos-azurblauer Himmel. Knusprig kalt. Ich steige in den Zug Richtung Süden.
Plötzlich schaue ich über die rechte Schulter und bin sprachlos.
Plötzlich schaue ich über die rechte Schulter und bin sprachlos.
Einige Meter silbernes Flusswasser, dahinter ein bodenloses Nichts. Der Nebel ist dicht wie ein Glas Milch. Die vor dem weißen Hintergrund stehenden Bäume scheinen aus ihrem 3D Raum herausgeschnitten und auf einem Blatt Papier geklebt worden zu sein. Die Wellen umspülen die undeutlichen Umrahmungen der kleinen Inseln.
Dieser Anblick wird durch den blauen Himmel und die durch den Nebel auf das Wasser scheinende Sonne nur noch mysteriöser.
Einige Augenblicke später ist die Verwandlung vollkommen. Die Umrisse der Hügeln werden deutlicher, der Nebel verschwindet, das Blaue des Himmels spiegelt sich in den Wellen.
Der Fluss Styx zwischen der Erde und dem Dahinter kommt mir in den Sinn.
Dieser Anblick wird durch den blauen Himmel und die durch den Nebel auf das Wasser scheinende Sonne nur noch mysteriöser.
Einige Augenblicke später ist die Verwandlung vollkommen. Die Umrisse der Hügeln werden deutlicher, der Nebel verschwindet, das Blaue des Himmels spiegelt sich in den Wellen.
Der Fluss Styx zwischen der Erde und dem Dahinter kommt mir in den Sinn.
Es ist dunkel. Ein starker Wind weht vom Meer. Ich stehe auf einer kleinen Straße und warte auf einen, wie sich später herausstellen sollte, bärtigen Unbekannten.
Plötzlich biegt eine weiße Katze um die Ecke und schaut in meine Richtung.
Ist das eine Van-Katze mit blau-grünen Augen?
Langsamen Schrittes schleiche ich mich zu ihr und hocke mich hin. Vorsichtig aber ohne scheu traut sie sich zu mir. Und da passiert es!
Die Katze schmiegt sich an mein Bein und springt auf mein Schoß. Ganz ohne Aggression. Einfach so.
Es schließt sich ein Kreis.
Ist das eine Van-Katze mit blau-grünen Augen?
Langsamen Schrittes schleiche ich mich zu ihr und hocke mich hin. Vorsichtig aber ohne scheu traut sie sich zu mir. Und da passiert es!
Die Katze schmiegt sich an mein Bein und springt auf mein Schoß. Ganz ohne Aggression. Einfach so.
Es schließt sich ein Kreis.
„Was hast Du mir mitgebracht?“ fragte ich meine Mutter, wie jeden Tag als sie nach Hause kam. Mutters Stimme klang schroff diesmal und sagte, dass ich nicht täglich etwas erwarten sollte.
Dieser Augenblick sitzt tief.
Dieser Augenblick sitzt tief.
Da ist der Spielzeug LKW in rot-weiß (in doppelter Ausführung damit ein potenzieller Streit mit meinem Cousin vermieden wird), die männlichen plus-size Puppen, der post-sowjetische Lego (wie habe ich die hellgrünen Bausteine geliebt!), der Stoffmonster aus Algerien, deren Beine immer wieder an den Körper genäht werden mussten...
All das und vieles mehr, angesammelt vor dem Schicksalstag, wurde einmal Opfer eines Wettstreits zwischen meinem Cousin und mir. Gewinner war derjenige, der mehr Spielzeuge aus dem Fenster schmeißen kann.
Was für ein Enthusiasmus während dessen und was für eine Enttäuschung danach!
All das und vieles mehr, angesammelt vor dem Schicksalstag, wurde einmal Opfer eines Wettstreits zwischen meinem Cousin und mir. Gewinner war derjenige, der mehr Spielzeuge aus dem Fenster schmeißen kann.
Was für ein Enthusiasmus während dessen und was für eine Enttäuschung danach!
Es herrscht eine frühsommerliche Hitze. Die aufgeputzten Menschen sehnen sich nach dem kühlen Kirchenraum. Die fülligen Priester gleiten elegant über dem Marmorboden (Selbsthumor sieht anders aus).
Die Taufe beginnt.
Das unverständliche Murmeln der Priester scheint niemanden zu interessieren. Kleine Mädchen erkunden den Kirchenraum, Frauen zupfen an ihren Kleidern oder vergewissern sich, dass die Haare gut sitzen, Einer spielt auf dem Handy, der Andere klopft seinem Nachbar den Dreck vom Anzug, ab und zu wird, wie selbstverständlich, ein Kreuz geschlagen.
Plötzlich höre ich ein Kind hinter mir fragen: „Und wo ist Jesus?"
Das unverständliche Murmeln der Priester scheint niemanden zu interessieren. Kleine Mädchen erkunden den Kirchenraum, Frauen zupfen an ihren Kleidern oder vergewissern sich, dass die Haare gut sitzen, Einer spielt auf dem Handy, der Andere klopft seinem Nachbar den Dreck vom Anzug, ab und zu wird, wie selbstverständlich, ein Kreuz geschlagen.
Plötzlich höre ich ein Kind hinter mir fragen: „Und wo ist Jesus?"
Da stehen sie also und lächeln mich an.
Er – etwas schüchtern, distanziert. Seine langen Finger klammern sich zärtlich an einen schlichten Blumenstrauß.
Mein Blick streift langsam zu ihr hinüber.
Dieses gebieterische, strahlende Lächeln scheint der Mittelpunkt des Ganzen zu sein. Das ist das Lächeln eines Eroberers, denke ich... bis ich mir ihrer Hände bewusst werde.
Diese zweifelnden, vorsichtigen und bittenden Hände.
Mein Blick streift langsam zu ihr hinüber.
Dieses gebieterische, strahlende Lächeln scheint der Mittelpunkt des Ganzen zu sein. Das ist das Lächeln eines Eroberers, denke ich... bis ich mir ihrer Hände bewusst werde.
Diese zweifelnden, vorsichtigen und bittenden Hände.
Eines Tages, Zufallsbegegnung auf einer Reise
Einige Tage, intensives Kennenlernen
Viele Tage, regelmäßiges Hin-und-Her-Schreiben
Von einem Tag auf den Anderen, das plötzliche Nichts schmerzvoll verdauen.
Wofür war das Ganze?
Einige Tage, intensives Kennenlernen
Viele Tage, regelmäßiges Hin-und-Her-Schreiben
Von einem Tag auf den Anderen, das plötzliche Nichts schmerzvoll verdauen.
Wofür war das Ganze?
Abends. Via Ratazzi. Die Straßenuhr zeigt 20:00. Nach einigen Schritten steht eine weitere Uhr. Dieses Mal ist es 19:30. Wieder andere zeigen 16:30, 18:45, 21:00 oder gar 14:10.
Warum wollen wir uns an eine Uhrzeit festhalten, die sowieso eine willkürliche Tatsache ist?
Welche von diesen Uhren zeigt die Wirklichkeit? Alle und keine.
Gibt es überhaupt eine Wirklichkeit? Und läuft sie in eine Richtung? Oder hat J. L. Borges recht wenn er meint, dass alles gleichzeitig existiert?
Und die schmelzenden Uhren von Salvador Dali?
Welche von diesen Uhren zeigt die Wirklichkeit? Alle und keine.
Gibt es überhaupt eine Wirklichkeit? Und läuft sie in eine Richtung? Oder hat J. L. Borges recht wenn er meint, dass alles gleichzeitig existiert?
Und die schmelzenden Uhren von Salvador Dali?
Schon wieder dieser Tag. Alle Jahre wieder und doch dieses Mal anders.
Tausende marschieren in die gleiche Richtung wie die Motten zum Licht. Es schüttet als gebe es kein Morgen. Alle frieren und können kaum die roten Tulpen festhalten. Einigen wird’s schlecht, andere weinen. Die Massen drängen sich zum ewigen Feuer wie zu einem Popstar.
Endlich kann man weiterziehen.
Ich zittere vor Kälte und bin bis zu den Knochen nass.
Plötzlich sehe ich das bekannte Gesicht unweit von mir. Er läuft etwas gebeugt und ohne Regenschirm.
Dieser Anblick ist bedrückend. Er wirkt wie verwaist.
Endlich kann man weiterziehen.
Ich zittere vor Kälte und bin bis zu den Knochen nass.
Plötzlich sehe ich das bekannte Gesicht unweit von mir. Er läuft etwas gebeugt und ohne Regenschirm.
Dieser Anblick ist bedrückend. Er wirkt wie verwaist.
Als ich noch ganz klein war, brachte mein Vater mir französisch bei.
Un, deux, trois, quatre...
Un, deux, trois, quatre...
Ich konnte diese Wörter stundenlang wiederholen, denn deren Klang schmeckte wie meine Lieblings-Süßigkeit. Die knusprige Waffel mit Zitronenfüllung von dem Kiosk nebenan.
Die gab es leider ganz selten zu kaufen...
Für mich war es selbstverständlich, dass die Wörter schmecken müssen. Dass ein Männername wie ein gekochter Pflaumenkompott mit Fruchtfleisch oder ein anderer wie eine armenische
Joghurt-Suppe schmeckt, war ein Fakt.
Somit könnte ein einziger Satz ein komplettes imaginäres Restaurant-Menü enthalten während man in Wirklichkeit mit leerem Bauch dastand.
Die gab es leider ganz selten zu kaufen...
Für mich war es selbstverständlich, dass die Wörter schmecken müssen. Dass ein Männername wie ein gekochter Pflaumenkompott mit Fruchtfleisch oder ein anderer wie eine armenische
Joghurt-Suppe schmeckt, war ein Fakt.
Somit könnte ein einziger Satz ein komplettes imaginäres Restaurant-Menü enthalten während man in Wirklichkeit mit leerem Bauch dastand.
Er bricht in Afghanistan auf und läuft nach Westen. Über dem Iran gelangt er in die Türkei, macht ein Selfie vor Hagia Sophia, überlebt eine Bootsfahrt nach Griechenland, auf dem Balkan läuft er den Zuggleisen entlang, in Ungarn wird er festgenommen und schließlich schmuggelt ein Deutsches Ehepaar ihn nach München.
Er ist sechzehn.
Er hat eine Reise hinter sich wofür man noch vor einigen Jahrzehnten in die Geschichtsbücher als ein großer Abenteurer aufgenommen wäre.
Mir wird fast schwindelig als ich das lese. Und plötzlich wird es mir bewusst, dass während dessen im Radio das Finale der 9. Sinfonie von Beethoven läuft.
Er hat eine Reise hinter sich wofür man noch vor einigen Jahrzehnten in die Geschichtsbücher als ein großer Abenteurer aufgenommen wäre.
Mir wird fast schwindelig als ich das lese. Und plötzlich wird es mir bewusst, dass während dessen im Radio das Finale der 9. Sinfonie von Beethoven läuft.
Die großen Ahornbäume vor der Wohnung. Der starke Abendwind.
Das dunkle Wohnzimmer. Der weiche Sessel. Die geschlossenen Augen.
Die warme Hand der Großmutter.
Der Gedanke an den Lieblings-Schaukelstuhl.
Das Gefühl der Umarmung von Jetzt. Die zarte Berührung von Damals.
Die geschlossenen Augen. Der weiche Sessel. Das dunkle Wohnzimmer.
Der starke Abendwind. Die großen Ahornbäume vor der Wohnung.
Das dunkle Wohnzimmer. Der weiche Sessel. Die geschlossenen Augen.
Die warme Hand der Großmutter.
Der Gedanke an den Lieblings-Schaukelstuhl.
Das Gefühl der Umarmung von Jetzt. Die zarte Berührung von Damals.
Die geschlossenen Augen. Der weiche Sessel. Das dunkle Wohnzimmer.
Der starke Abendwind. Die großen Ahornbäume vor der Wohnung.
Meine Lehrerin für Musikgeschichte war eine schlanke Frau mit gelben Haaren. Ihr Unterricht war in einem schleppenden Tempo, mit wenig Leidenschaft.
Einmal legte sie eine Schallplatte auf, gab uns Papier und ohne das Stück zu verraten, forderte auf “die Musik zu malen”. Nach einigen Sekunden von Kamingeräuschen die ein alter sowjetischer Schallplattenspieler eben macht, fing das erwartete Musikstück an.
Ich weiß nicht mehr genau, was ich gemalt habe aber irgendwann in der zweiten Hälfte des Stückes ist – in dem erstarrten Horizont – die Sonne aufgegangen.
Jahre später als ich selbst dieses Prelude von Debussy spielte, war die Sonne wieder da!
Ich weiß nicht mehr genau, was ich gemalt habe aber irgendwann in der zweiten Hälfte des Stückes ist – in dem erstarrten Horizont – die Sonne aufgegangen.
Jahre später als ich selbst dieses Prelude von Debussy spielte, war die Sonne wieder da!
Einmal in meinem Zimmer in Jerewan mache ich eine Schublade von meinem Bücherregal auf und zwischen alten Schulheften und Notizbüchern, die seit meiner Kindheit dort liegen, sehe ich ein Paar Handschuhe. Blass grün sind sie und aus Wolle. Auf dem Handrücken bestickt mit kleinen Blumen.
Fingerspitzen abgeschnitten.
Da die Winter bei uns Anfang der 90er Jahre sehr kalt waren, übte ich mit diesen Handschuhen Klavier.
Ich schließe die Augen und spüre dieses Bild nach.
Gibt es diese Welt noch irgendwo?
Da die Winter bei uns Anfang der 90er Jahre sehr kalt waren, übte ich mit diesen Handschuhen Klavier.
Ich schließe die Augen und spüre dieses Bild nach.
Gibt es diese Welt noch irgendwo?
Wir hatten ein nussbraunes Klavier. Ein “Rönisch”. Da war ich etwa sieben Jahre alt.
Wenn ich an dieses Bild denke, sehe ich immer meine Mutter Klavier spielen. Das war meistens in den Abendstunden. Beim Kerzenlicht. Nicht aus Nostalgie, sondern weil es keinen Strom gab.
Chopin Etüden, Debussy Preludes, Bach...
Musik, die für mein kindliches Gefühl wie aus einer verlorenen Welt kam. Einer Welt, die Freiheit verhieß.
Chopin Etüden, Debussy Preludes, Bach...
Musik, die für mein kindliches Gefühl wie aus einer verlorenen Welt kam. Einer Welt, die Freiheit verhieß.
Die Hülle von dieser Schallplatte hatte ihre erste Jugend schon hinter sich gelassen.
Irgendwann vor langer Zeit war sie schwarz gewesen, mit einem großen Foto in der Mitte, das den jungen französischen Pianisten mit einem himmelblauen Anzug und langen Haaren zeigte.
Pascal Devoyon.
Und dann die Aufnahme... transparent wie manches von Claude Monet, präzise wie Salvador Dali, verträumt wie Paul Klee und zart wie Berthe Morisot...
Das war eine Live Aufnahme vom Tschaikowski Wettbewerb vom Jahre 1978. Damals für die Menschen in der größten Konservendose der Welt, die Sowjetunion hieß, war ein Franzose so etwas wie ein Außerirdischer.
Dass dieser Mann, 25 Jahre nachdem meine Mutter diese Schallplatte gekauft hatte, mein Lehrer werden würde, war der Fall der Berliner Mauer zu danken.
Pascal Devoyon.
Und dann die Aufnahme... transparent wie manches von Claude Monet, präzise wie Salvador Dali, verträumt wie Paul Klee und zart wie Berthe Morisot...
Das war eine Live Aufnahme vom Tschaikowski Wettbewerb vom Jahre 1978. Damals für die Menschen in der größten Konservendose der Welt, die Sowjetunion hieß, war ein Franzose so etwas wie ein Außerirdischer.
Dass dieser Mann, 25 Jahre nachdem meine Mutter diese Schallplatte gekauft hatte, mein Lehrer werden würde, war der Fall der Berliner Mauer zu danken.
“Ц” für Zwickau auf russisch. Ein eigenartiger Buchstabe dachte ich, als ich das Kapitel über Robert Schumann in unserer braunen russischsprachigen Musikenzyklopädie las.
Damals wusste ich noch nicht, dass mein erstes gespartes Geld in Deutschland für eine Reise nach Zwickau sein sollte.
Nächtliche Stunden in Zügen, langersehnte Ankunft, trübes Wetter, Mariendom,Verlust des Geldbeutels, ein Ehepaar, das gerührt von meiner Verzweiflung, mir Geld schenkt, Rosenstrauß, Schumann Denkmal, zwei Besuche des gleichen Museums innerhalb weniger Stunden.
Emotionen ohne Punkt und Komma.
Neun Jahre später wurde dieses kleine ostdeutsche Städtchen zu einem Wendepunkt in meinem Leben.
Nächtliche Stunden in Zügen, langersehnte Ankunft, trübes Wetter, Mariendom,Verlust des Geldbeutels, ein Ehepaar, das gerührt von meiner Verzweiflung, mir Geld schenkt, Rosenstrauß, Schumann Denkmal, zwei Besuche des gleichen Museums innerhalb weniger Stunden.
Emotionen ohne Punkt und Komma.
Neun Jahre später wurde dieses kleine ostdeutsche Städtchen zu einem Wendepunkt in meinem Leben.
Das Sommerhaus meiner Tante war in Byurakan. Seitdem habe ich viele Häuser gesehen, die dieses weit übertrafen.
Und warum ist genau dieser Ort mit seinen unzähligen Gemüsebeeten und Obstbäumen das Inbegriff des unbeschwerten Glücks geworden? Paradies auf Erden, wenn es denn eins gibt...
Ich liege auf einem chaise longue bei Avignon. Die Luft riecht nach trockenem Grass und Erde.
Und wo bleibt das Bäume-klettern, Kirschessen und Lachen bis man Bauchweh bekommt...
Ich liege auf einem chaise longue bei Avignon. Die Luft riecht nach trockenem Grass und Erde.
Und wo bleibt das Bäume-klettern, Kirschessen und Lachen bis man Bauchweh bekommt...
Die Tür öffnet sich. Ich trete in einen großen Raum ein.
Der Kerzenschein beleuchtet die reich-bemalten Wände. Auf dem azurblauen Hintergrund treten Blumenmuster und Phantasiefiguren hervor. In der einen Ecke, rechts von mir, ist der Kamin, der nach frischem Feigenholz riecht. Aus einem imaginären Raum hinter der schmalen Tür links, kommen liebliche Gambenklänge. Ich...
...ziehe meine Decke bis zum Kinn und drehe mich auf den Rücken.
...ziehe meine Decke bis zum Kinn und drehe mich auf den Rücken.
Wir hatten lange und ausgiebig geprobt. Als wir anschließend das Gebäude verlassen wollten, merkten wir, dass wir, vergessen von den Büromitarbeitern, darin eingeschlossen worden waren.
Unsere letzte Hoffnung war die alte Dame aus der Dachgeschoss-Wohnung. Die allerdings hatte, wie gewohnt, die Ohren abgeschaltet und nahm unser Klingeln nicht wahr. Mein Partner bekam alle Phobien gleichzeitig. Sonderbar kafkaesk, dachte ich. Und bevor ich es merkte, sprang der Satz „ein wenig Geduld und Männlichkeit, wenn ich bitten darf“ aus meinem Mund heraus und klatschte an die Wand.
Alle sind festlich gekleidet. Überall Engeln aus Marmor, Heiligenbilder mit mysteriöser Botschaft, Blumenkränze... Die Predigt wechselt mit musizierenden Freunden ab.
Ich stehe vor dem geschmückten Altar. Aufgeregt und durcheinander.
Der zweite Kapitel von „Der Meister und Margarita“ geht mir nicht aus dem Kopf.
Ist das was Er wollte?
Vor unseren Augen wird aus Yeshua Ha-Nozri, Jesus Christus. Der schlichte menschliche wird in diesen Prunk eingezwängt.
Wie laut kann man Seine Worte aussprechen ohne dass sie zu Postkarten-Weisheiten mutieren...?
Der zweite Kapitel von „Der Meister und Margarita“ geht mir nicht aus dem Kopf.
Ist das was Er wollte?
Vor unseren Augen wird aus Yeshua Ha-Nozri, Jesus Christus. Der schlichte menschliche wird in diesen Prunk eingezwängt.
Wie laut kann man Seine Worte aussprechen ohne dass sie zu Postkarten-Weisheiten mutieren...?
Ein kleiner weißer Teller, umrahmt von einem blauen Kreis und abgerundet von welligen, vergoldeten Rändern. Etwas zerkratzt. Ein Überbleibsel aus einem verloren gegangenem Land: Armenische Sozialistische Sowjetrepublik.
Der Teller steht vor mir, auf dem Esstisch, bei meinen Großeltern. Darauf drängen sich, dicht beieinander, dutzende Kirschsteine. (Ah, wie gut hat dieser Sauerkirsch-Kompott geschmeckt!).
Die obligatorische Frage meiner Mutter („Hast Du schon wieder den Kirschen eine Schlacht erklärt?“) lässt nicht lange auf sich warten.
Während dessen verschlinge ich nicht allein die roten Früchte, sondern das enorme Buch, das auf meinen dünnen Kinderbeinen liegt: La dame de Monsoreau.
Die obligatorische Frage meiner Mutter („Hast Du schon wieder den Kirschen eine Schlacht erklärt?“) lässt nicht lange auf sich warten.
Während dessen verschlinge ich nicht allein die roten Früchte, sondern das enorme Buch, das auf meinen dünnen Kinderbeinen liegt: La dame de Monsoreau.
Neben meiner Kinder-Staffelei, die ursprünglich „Etüdnik“ bei uns zu Hause aber „Idiotnik“ genannt wurde, hatte ich bunte Filzstifte. Ein Luxus für damals. Damit wurde einiges an Papier voll gemalt: lachende Sonne, endlose Sterne (deren Ausführung fortwährend perfektioniert wurde), ein welliges Meer (das ich mit 28 Jahren zum ersten Mal sah), dichte Wälder und viele Menschen.
Einige von diesen Bildern habe ich immer noch. Und jedes Mal wenn ich diese zu Gesicht bekomme, höre ich wieder das Kratzen der ausgetrockneten Filzenden und rieche den Vodka von diesen alkoholisierten Stiften, denen mein Vater mit dieser Flüssigkeit ein längeres Leben einhauchen erhoffte.